Im
folgenden handelt es sich um einige Ausschnitte aus dem
Buch ´Pflegekinder - Alles was man wissen muss`
Wie
können Pflegeeltern ihr Kind darin unterstützen,
Kontrolle über sein Leben zurück zu gewinnen?
Zunächst
einmal ist es wichtig, nicht stets das Schreckliche zu
betonen - wie schlimm auch immer die Traumatisierung für
das Kind gewesen sein mag. Was geschehen ist, ist
geschehen. Niemand kann die Zeit zurückdrehen. Doch
eines steht fest: Wie immer auch geschehen ist - das
Kind hat überlebt. Es ist nicht nur ´Opfer` einer
Traumatisierung, sondern in erster Linie ´Überlebender`.
Das macht deutlich, dass das Kind eine Kraft und eine Stärke
hat, die ein gutes Fundament für das weitere Leben sein
können.
Irgendwo
hat jeder seine Stärken, die sich ausbauen lassen. Und
so ist es für die Pflegeeltern wichtig, dass sie möglichst
bald erkennen, in welchen Bereichen ihr Kind Erfolge
haben könnte. Ein schlechter Schüler ist vielleicht
ein guter Fußballspieler, ein mieser Sportler
vielleicht talentiert im Umgang mit Tieren. Jedes Kind
hat Fähigkeiten, die sich fördern und ausbauen lassen
und aus denen sich Erfolge ziehen lassen.
Bei
manchen Pflegefamilien lässt sich nur schwer
feststellen, wer das eigentliche Opfer ist. Das Kind
oder die, die mit ihm zu tun haben. Die Pflegeeltern fühlen
sich nicht selten als Opfer angeblich unfähiger
Mitarbeiter in Jugendämtern und Gerichten. Diese
wiederum sehen sich als Opfer von Sparmaßnahmen und
steigender Arbeitsanforderungen. Und die Herkunftseltern
sehen sich oft als Opfer von überhaupt jedem, der ihre
Wege kreuzt. In einem solchen Umfeld ist es für ein
Kind schwer, nicht auch in das allgemeine
Die-Welt-ist-schlecht-Lied mit einzustimmen. ...
Ist
es in jedem Fall gut, über ein Trauma zu sprechen?
Das
Sprechen über ein Trauma ist nicht in jedem Fall
sinnvoll und hilfreich. Für manche Opfer ist es sogar
schädlich, wenn sie ohne ausreichende Vorbereitung und
Stabilität mit dem Trauma konfrontiert werden.
So
konnte in zahlreichen Studien nachgewiesen werden, dass
Menschen, die routinemäßig nach einem akuten Trauma
eine systematisierte psychologische Unterstützung
erhalten, eine schlechtere Prognose haben, als wenn gar
keine Behandlung erfolgt. Denn
durch das Sprechen kommt es dazu, dass die ganze
Situation noch einmal durchlebt wird und dadurch eine
erneute Traumatisierung erfolgen kann. Offensichtlich stört
es die natürlichen Selbstheilungskräfte, wenn Opfer
nach einer Traumatisierung nicht genügend Zeit gegeben
wird, sich erst einmal in Ruhe zu sammeln. ´Darüber
sprechen` und ´Die Gefühle rauslassen` sind deshalb
nicht immer hilfreich. ...
Was
ist, wenn das Kind starke Bindungen an seine leiblichen
Eltern hat?
In
einer Untersuchung an Pflegekindern wurde ermittelt,
dass 29% von ihnen starke Bindungen an ihre leiblichen
Eltern haben. Und nach den einschlägigen Empfehlungen
der Landesjugendämter wird von den Pflegeltern
erwartet, dass sie die Bindungen der Kinder an ihre
leiblichen Eltern ´achten`.
Das
ist nicht ganz unproblematisch, denn Bindungen zwischen
Eltern und Kindern sind nicht zwangsläufig gut oder
sicher. Jedes Kind kommt mit der natürlichen Anlage zur
Welt, sich zu binden und kann es sich nicht aussuchen,
an wen es sich bindet. Deshalb bindet es sich auch dann
an seine Eltern, wenn es von diesen misshandelt,
vernachlässigt oder missbraucht wird. Obwohl dem Kind
hier Fürchterliches geschieht, kann dennoch eine ´starke`
Bindung entstehen. Denn Bindung entsteht zwangsläufig
und völlig unanhängig davon, wie das Kind von seinen
leiblichen Eltern behandelt wird.
Die
´Stärke` der Bindung ist deshalb kein Indikator dafür,
dass es dem Kind in der Beziehung zu seinen Eltern auch
gut geht. Es ist deshalb falsch, wenn - wie es immer
wieder geschieht - aus der Tatsache, dass Bindungen
vorhanden sind, geschlossen wird, dass deshalb
Umgangskontakte stattfinden müssten oder eine Rückführung
in die Herkunftsfamilie erfolgen müsse. ...
Ich
habe gelesen, dass Beziehungsabbrüche
im Kindesalter einen Menschen akut und für sein
weiteres Leben verletzen. Stimmt das?
Die
Behauptung, ein Beziehungsabbruch verletzte einen
Menschen für sein weiteres Leben, vermittelt einem
Kind: ´Du kannst
es nie schaffen, gesund zu werden. Eine Heilung ist bei
dir nicht möglich. Versuch es gar nicht erst, es klappt
ja doch nicht.`
Durch
das Bild, das sich Fachkräfte, Therapeuten und
Pflegeeltern von einem Kind machen, verstärken sie das
Verhalten, das sie erwarten. Sie lenken das Kind in die
erwartete Richtung. Wenn ein Kind von seinen Eltern
immer wieder hört: ´Du
wirst eh kein guter Schüler`, dann glaubt es daran.
Die Botschaft wird sich in sein Unterbewusstsein brennen
und dafür sorgen, dass es sich entsprechend verhält.
Das Kind wird unsicher werden, an sich zweifeln (´Ich
schreibe ja doch wieder nur eine Sechs`) und sich ständig
an seine Missgeschicke erinnern. Dann ist es kein
Wunder, wenn es bald miese Noten nach Hause bringt und
die Voraussage damit Wirklichkeit wird.
Deshalb
ist die Behauptung, ein Pflegekind bleibe ein Leben lang
verletzt, nicht nur inhaltlich falsch. Sie ist vor allem
entmutigend, stigmatisierend und schädlich. Sie selbst
trägt dazu bei, dass sich die Prophezeiung erfüllt.
Sie ist eine wesentliche Ursache der Krankheit, für
deren Therapie sie sich ausgibt.
Warum
werden in manchen Bundesländern mehr Pflegeverträge
zwischen Jugendämtern und Pflegeeltern geschlossen als
in anderen?
In
Deutschland ist der Bund zuständig für das Kinder- und
Jugendhilfegesetz, die Länder jedoch zuständig für
die entsprechenden Ausführungsbestimmungen.
Das
hat zur Folge, dass etwa in Bayern das Jugendamt in der
Regel keinen Vertrag mit den Pflegeeltern schließt,
sondern lediglich darauf hinwirkt, dass ein Vertrag
zwischen den Personensorgeberechtigten und den
Pflegeeltern geschlossen wird. In Berlin sind
stattdessen Pflegeverträge zwischen Jugendämtern und
den Pflegeltern üblich.
Ist
es zulässig, dass in einem Jugendamt die
Amtsvormundschaften von den Mitarbeitern des Allgemeinen
Sozialen Dienstes miterledigt werden?
Zur
Selbstverwaltung einer Kommunalbehörde gehört auch das
Recht, sich eine Organisation zu geben und die
verwaltungsinternen Abläufe selbst zu regeln. Deshalb
ist eine Fusion der Abteilungen
´Allgemeiner Sozialer Dienst` und ´Vormundschaften` ein
Beispiel kommunaler Selbstverwaltung. Sie ist darüber
hinaus geeignet Kosten zu sparen und die Effizienz im
Jugendamt zu steigern.
Und
außerdem ist sie zweifellos völlig rechtswidrig.
.....
Sind
Besuchskontakte unverzichtbar?
´Man
kann und darf es dem Kind nicht ersparen, sich mit der
Tatsache auseinander zusetzen, dass es seine eigenen
Eltern hat`, stellt das Deutsche Jugendinstitut
fest, ´Wenn schwere Identitätskrisen des Kindes in der Pubertät vermieden
werden sollen, muss rechtzeitig das Verhältnis zur
Herkunftsfamilie aufgearbeitet werden. Das Problem kann
nicht dadurch umgangen werden, dass die Pflegeeltern von
der Herkunftsfamilie abgeschirmt werden.`
Problematisch
ist diese Auffassung allerdings schon deshalb, weil
Identitätskrisen zu jedem Leben dazugehören und es
keine aussagekräftigen Untersuchungen darüber gibt, ob
Pflegekinder besonders unproblematisch die Anforderungen
des Lebens meistern, wenn sie als Kinder häufig ihre
leiblichen Eltern gesehen haben....
Wäre
der regelmäßige Kontakt zu den Herkunftseltern
unverzichtbar für das Finden der eigenen Identität,
so müssten all die am Leben scheitern, denen
dieser Kontakt nicht möglich ist. Das ist nach allen
vorliegenden Studien jedoch nicht der Fall.
Betrachtet
man etwa die Gruppe der im Ausland adoptierten Kinder,
bei denen regelmäßige Besuchskontakte schon wegen der
großen Entfernungen zu den leiblichen Eltern nicht möglich
sind, so lässt sich feststellen, dass sich die
allermeisten von ihnen überaus erfreulich entwickeln. .....
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